Intuitiv definiert

Ich versuche hier etwas mit der Ratio zu erklären, was rational bisher nicht verstanden wurde. Ich möchte Dich mit den mentalen Argumenten der Wissenschaft davon überzeugen, dass unser Wissen über das Mentale hinausgeht. Ich begebe mich mit Dir auf das unsichere Terrain der intuitiven Kreativität.

Einfach unerklärlich

Kreativität, Intuition, Bewusstsein und Unterbewusstsein, kreativer Flow und Heureka-Moment: ich werfe hier mit Begriffen um mich, die allesamt nicht eindeutig definiert sind. Laut dem „Lexikon der Kreativität“ von Egon Freitag tummeln sich mittlerweile allein für das Wort Kreativität über 400 verschiedene Erklärungsversuche mit ungefähr 645 Bedeutungsvarianten auf dem Feld der Kreativitätsforschung. Der Psychologe und Kreativitätsforscher Dr. Siegfried Preiser brachte es schon 1986 auf den Punkt: „Eine eindeutige, präzise Definition von Kreativität erweist sich als unmöglich.“ Nun, vielleicht ist die auch gar nicht nötig.

Von gestern, jetzt und morgen

Wir sind eine stark rational geprägte Gesellschaft, unser Verstand und die Logik sind unsere Werkzeuge und Vertrauten. Gefühle und Empfindungen, gerade die unangenehmen, werden oftmals eher als Hindernisse und Störenfriede empfunden und wir sind weit davon entfernt, ihr Potential als intelligente Wissensquelle zu nutzen.


Nun kommt unsere Ratio an den Punkt, sich selbst in Frage stellen zu müssen. Die Wissenschaft fördert Erkenntnisse zu Tage, die ein Umdenken erfordern und die ihr zugrundeliegenden Dogmen und Prinzipien zum Wandel auffordern – und mit ihnen die unserer Gesellschaft.

Lassen wir uns auf diese Herausforderung ein, endet die Ära des Verstandes. Das bedeutet nicht, dass wir in prä-rationale Verhaltensweisen und Glaubensmuster zurückfallen sollten. Es bedeutet vielmehr, das Vorher in das Jetzt zu integrieren – und zu etwas Neuem zu verbinden. Dafür braucht es die Rückbesinnung auf altes Wissen, die körperliche und emotionale Intelligenz in uns, und die Integration dessen in das aktuell bestimmende, das mentale Wissen. Erst aus der Resonanz zwischen Körper, Gefühlen und Verstand heraus offenbaren sich die Gesamtheit unserer Fähigkeiten und unser volles Potential.

Wirklich neu

Entdecken wir diese kreative Quelle, kann Neues von Innen heraus wachsen. Bis dahin bleibt alles Neue meiner Meinung nach ziemlich altbacken. Wir versuchen, die Zukunft aus Resten von gestern zu gestalten und die daraus resultierenden Veränderungen entpuppen sich so notgedrungen als konstruierte Masken und leere Hüllen. Unter diesen Illusionen leidet die New-Work-Bewegung, die Entwicklung einer nachhaltigen und gesunden Welt – und jeder einzelne von uns. Ich sage nicht: alles falsch, ich sage nur: Zeit für ein tieferes, wahrhaftigeres Neu. Wir sind reif für eine weisere, ganzheitlichere Kreativität.

Selbst definiert

Intuitive Kreativität bedeutet für mich rational gesehen, alle drei Wissens- und Kommunikationskanäle zu nutzen: unsere mentale, emotionale und sensorische Intelligenz. Tun wir das, bedeutet es aber noch viel mehr. Es beinhaltet, die eigene Verbundenheit mit dem Ganzen zu spüren und aus ihr heraus zu handeln. Sich weniger einer erdachten Ordnung zu unterwerfen, sondern der natürlichen Ordnung des Lebens zu folgen. Aus „was denke oder erwarte ich, was jetzt kommen muss?“ wird „was ist jetzt wirklich dran?“. Dieser kreative Akt hat etwas zutiefst Aufrichtiges, Authentisches und Mutiges – und spricht gleichzeitig aus dem Wissen heraus, dass ich kein unabhängiges Einzelstück, sondern viel mehr Teil einer allumfassenden Einheit bin.

Zuhören

Um als Teil dieses Ganzen agieren und unseren Platz darin finden zu können, hilft uns eine Fähigkeit ganz besonders: das Zuhören. Was häufig als Hörigkeit auf eine äußere Instanz (Gott, Guru, Meister, usw.) verstanden und leider auch instrumentalisiert wird, entspringt meiner Meinung nach der natürlichen Fähigkeit, uns selbst und dem Leben zuhören zu können. Äußere Impulse können enorm wertvoll und motivierend sein – so lange sie uns den Weg hin zu Selbstverantwortung statt zu Abhängigkeit weisen. Alles, was wir suchen, ist schon lange in uns. Vielleicht nur ein wenig versteckt und vergraben.

Text Martje Mehlert | Lektorat Julia Reverey | Illustration Katja Reimers | freie Anlehnung an Egon Freitag: Lexikon der Kreativität