Unsere emotionale und sensorische Intelligenz agiert größtenteils unbemerkt und unbewusst. Die Informationsfülle, aus der sie sich speist, liegt an einem Ort, der eigentlich kein Ort ist und doch eine entscheidende Rolle für unseren Reisebeginn spielt: in unserem Unterbewusstsein.

Oben und darunter

Gleich hier haben wir es mit zwei der scheinbar undefinierbaren Begriffen zu tun: das Bewusste und das Unterbewusste. Versuchen wir uns trotzdem an einer Deutung.


Der erste verkörpert für mich den Verstand, dessen Vorgänge wir bewusst wahrnehmen können und in dem die Informationen gespeichert sind, die wir aktuell brauchen. Hier wohnt das logische und aktive Denken.

Der zweite Begriff, das Unter- oder Unbewusste, beschreibt für mich all die Prozesse in uns, die nicht-bewusst ablaufen. Das bedeutet, wir registrieren sie zwar nicht, sie finden aber trotzdem statt und lenken uns.
Die im Unterbewusstsein gespeicherten Informationen liegen teilweise nur knapp unter der Oberfläche (und damit für unser Bewusstsein griffbereit), teilweise sind sie aber kaum oder nur sehr schwer abrufbar für uns. Hier finden sich alle Informationen, die die Kapazität des Verstandes sprengen würden und aktuell nicht in Gebrauch sind.


Diese beiden Systeme gehen eine harmonische Symbiose ein. Wenn wir sie denn lassen.

Im Flachen fischen

Neuronal gesehen bedeutet Kreativität einfach: aus bereits Vorhandenem etwas Neues zu kreieren. Aus vielen alten Teilen entsteht ein neues Ganzes.


Als Funke der Kreativität entsteht eine Idee also immer aus der Neukombination von Informationen. Spreche ich hier von Informationen, meine ich jede Erfahrung, jedes erlernte Wissen, jedes Gefühl, jede Empfindung, jeden Moment unseres Lebens (und teilweise dem unserer Vorfahren).

Ideen werden also direkt aus unserem Leben gestrickt, sie sind ein Abbild unseres Selbst – und die Informationen das biologische Material dafür.

Entscheidend für unser kreatives Wirken ist demnach vor allem die Informationsquelle, aus der wir schöpfen.
Und da fischen wir meist in ziemlich flachen Gewässern.

Zeigefinger trifft Narrenfreiheit

Betrachten wir also Informationen als Ideenmaterial, wäre das Unterbewusstsein der prall gefüllte Lagerraum unseres Lebens, der Verstand dagegen agiert immer nur auf Basis einer kleinen Kollektion an Informationen, die ihm zur Verfügung steht. Die Kapazität zur Informationsverarbeitung des Verstandes sind gering, die des Unterbewusstseins dagegen enorm.

DIE STÄRKEN DES EINEN SIND DIE SCHWÄCHEN DES ANDEREN:

Der Verstand arbeitet mit nur wenigen Informationen, dafür aber sehr sorgfältig, präzise und kritisch. Das Unterbewusstsein schöpft aus einer enormen Informationsfülle, agiert allerdings weitaus ungenierter, wilder und experimentierfreudiger.


STELLEN WIR UNS DIE BEIDEN VOR:

der Verstand mit dem ausgestreckten Zeigefinger und einem besonders scharfen, kritischen Blick in seinem aufgeräumten, überschaubaren Arbeitszimmer. Akribisch arbeitend, zuverlässig und präzise.

Unser Unterbewusstsein dagegen mit einer Menge Klim-Bim in einem wüsten Experimentierlabor, vollgestopft mit diversen Kartons und Schächtelchen, in denen alles liegt, was wir je erfahren haben.

Es wühlt und sucht, es schnüffelt und kramt, es bringt zusammen und sprengt auseinander. Hier entstehen kreative Lösungen, hier wird erfunden und entwickelt, hier kommen alle unsere Anteile zu Wort. In diesen Kellergewölben herrscht gelebte Anarchie, ein heilloses Durcheinander und kreative Narrenfreiheit.


Verwickeln wir diese beiden in einen wertschätzenden, konstruktiven Dialog, laufen wir zu kreativen Höchstleistungen auf.

Im Dialog

Leider passiert das noch sehr selten. Wir haben nicht gelernt, mit unserem impulsiven Experimentierlabor umzugehen. Wir werfen selten einen Blick hinein, wir meiden das unangenehme Chaos und versuchen, die Impulse, die von dort nach außen dringen, möglichst schnell und effizient zu unterdrücken und ruhig zu stellen.

Der Verstand ist sicheres Terrain, überschaubar, aufgeräumt, klar. Aber wenn wir es uns hier zu bequem machen, verkommen wir zu langweiligen Stubenhockern und können doch nicht verhindern, dass ab und an mal kleine Explosionen aus der Kellerklappe das ganze aufgeräumte Haus zum Wanken bringen.

Trauen wir uns in den Keller und geben dem dynamischen Spiel der Entwicklung Zeit und Raum. Betreten wir das wilde, spielerische und inspirierende Feld der natürlichen Kreativität.

Text Martje Mehlert | Lektorat Julia Reverey | Illustration Carina Lange | freie Anlehnung an Anna Wise: Awakened Mind Training und Bas Kast: Wie der Kopf dem Bauch beim Denken hilft.